Día de los Muertos2003 wurde der Tag der Toten in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immatriellen Erbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen. Die Feierlichkeiten in ihrer traditionellen Form gelten jedoch als bedroht, da der Einfluss des amerikanischen Halloween zunimmt, mit dem der Día de los Muertos aber ausser der allgemeinen Thematik nur wenig gemein hat.
Der mexikanische Dichter Homero Aridjis bezeichnet die den Touristen entgegenkommende Veränderung in Richtung Gruselspaß Halloween, als „kulturelle Verseuchung“.
Eine Zeitungsumfrage jedoch ergab, dass weiterhin über 70% den Día de los Muertos nach altem Brauch auf dem Friedhof feiern und ihrer Verstorbenen gedenken. Gerade die ländliche Bevölkerung macht sich über eine drohende Veränderung kaum Gedanken.
1. Der Tag der Toten in der europäischen Tradition und in der mexikanischen KulturIm Zentrum des Día de los Muertos steht der Glaube, dass am 1. November die Verstorbenen für zwei Tage heimkehren.
Niemand glaubt jedoch, dass die Toten aus ihren Gräbern auferstehen und nach den Feierlichkeiten dorthin wieder zurückkehren wie wandelnde Leichen aus einem Horrorfilm. Mehr der Gedanke an die Verstorbenen steht im Vordergrund.
In der Nacht zum ersten November wird die Ankunft der als Kinder vestorbenen erwartet, der
angelitos, der kleinen Engel, und der Nichtgetauften. Sie kehren genau 24 Stunden später wieder zurück.
In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland ist Allerheiligen, wie in vielen anderen katholische geprägten Ländern Europas (z.B. Polen), ein gesetzlicher Feiertag und zudem ein sogenannter stiller Feiertag. Das heißt, dass an diesem Tag keine Tanzveranstaltungen durchgeführt werden dürfen und laute Musik verboten ist (Tanzverbot).
An Allerheiligen (1. November) wird aller Heiligen gedacht, sowohl den bekannten, als auch unbekannter Heiliger „um deren Heiligkeit niemand weiß als Gott“ und jener die nicht heilig gesprochen wurden.
Der Tag der Toten, bzw. Allerseelen, in der katholischen Welt wurde von dem französischen Benediktiner Abt Odilón im Jahr 998 institutionalisiert und auf den 2. November festgelegt.
Allerseelen ist der Gedenktag der römisch-katholischen Kirche, an dem durch Gebete, Almosen und Fürbitte die Leiden der Armen Seelen (der Verstorbenen im Fegefeuer) erleichtert werden sollen, und der dem Gedächtnis der Verstorbenen dient.
Auch im Glauben der Katholiken dürfen die Verstorbenen am Jahresende ihre ehemalige Heimat wieder aufsuchen. Diesem Besuch sahen die Lebenden zwar besonders in früheren Zeiten mit Ehrfurcht entgegen und stellten Essen für die nächtlichen Gäste bereit, doch war und ist dies nicht mit der Volksfeststimmung zu Allerheiligen in Mexiko zu vergleichen.
Ab 1578 wurde auch in Mexiko, das Totenfest, für Katholiken und Indios gleichermaßen, an dem von der katholischen Kirche anerkannten Feiertag gefeiert.
Parallelen zwischen der christlichen Vorstellung vom Tod und dem indigenen Glauben ermöglichten eine Verschmelzung des christlichen Allerseelentages und indigener Traditionen zu dem als Día de los Muertos bekannten Totenfest.
1.1 Der Tod in der Kultur der Azteken als Wurzel des Día de los Muertos
Die Azteken sahen den Tod nicht als Ende, sondern als eine Übergangsphase zu einer anderen Daseinsform. Schließlich ist der Tod die natürliche Folge des Lebens, auch für die Maya und andere Völker, die damals im heutigen Mexiko lebten.
Die Azteken glaubten, dass nach dem Tod für die Seele eine Reise mit schweren Prüfungen begann, bis sie den Mictlán, das Totenreich, erreichte. Damit sie diese Prüfungen bestehen konnten, wurden die Toten mit ihren Waffen oder Werkzeugen, ihrer Kleidung und anderen Gegenständen eingeäschert. Die Asche gab man in Keramiktöpfe, die entweder in den Häusern, in Tempeln oder im Gebirge vergraben wurden. An der Stelle wurden später Opfergaben wie Blumen, Essen und Wasser für die Verstorbenen niedergelegt. Sie widmeten insgesamt zwei Monate, August für die Kinder und November für die Erwachsenen, dem Gedenken an die Verstorbenen.
Man könnte meinen, dass es nur an dem indianischen Teil ihrer Kultur liegt, dass Mexikaner eine für Europäer beunruhigend enge Beziehung zum Tod haben.
Doch auch für die spanischen Eroberer war Sterben eine Befreiung von den Mühen des Lebens, denn der Tod bedeutete, nah an Gott zu sein - jedenfalls bis zur Aufklärung.
Das indianische Volk vergaß weder die eigenen Wurzeln noch den katholischen Glauben, den die Spanier ihnen, als sie vor etwa 500 Jahren das Land eroberten eintrichterten.
Es begann ein Prozess der Verschmelzung von Riten und Gebräuchen, die sich mit der Zeit veränderten und somit eigentlich viele regional unterschiedliche Varianten des Día de los Muertos hervorbrachten.
Eins jedoch ist ein unverkennbares Merkmal bei allen: Die meisten Menschen feiern den Día de los Muertos in fröhlicher Stimmung.
Man erinnert sich gemeinsam an die schönen Momente, die man mit den Menschen erleben durfte, die guten Eigenschaften der Verstorbenen, die nun nicht mehr unter den Lebenden weilen.
2. Die Vorbereitungen für das Fest
Die Vorbereitungen für die eigentlichen Rituale vom 1. bis 2. November beginnen schon Mitte Oktober.
Die Strassen werden mit Blumen und lustigen Skeletten aus Papier und Plastik geschmückt, die gekleidet sind in Kleider, Anzüge oder Sombreros und alltägliche Szenen aus dem Leben darstellen. Das
pan de muerto, traditionell rundes Totenbrot, das es aber in einigen Regionen auch in Form von Tieren, Fischen oder menschlichen Figuren gibt, wird von den Bäckern gebacken, Händler bieten
calaveras (Totenschädel aus Zucker oder Schokolade) und Gerippe aus Papier, Holz, Plastik und anderen Materialien an.
In der letzten Woche werden die Gräber der Verstorbenen geschmückt und zuletzt, am 31. Oktober, wird die
ofrenda, der Totenaltar, aufgebaut.
Als Empfangsteppich und Wegweiser für die Verstorbenen wird zusammen mit Ringelblumen aus den Blütenblättern der leuchtend orangefarbenen Cempasúchitl, einer Tagetesart mit 400 Blütenblättern, ein Weg vom Haus bis zu einem Platz in einiger Entfernung oder sogar bis zum Friedhof gelegt, damit die Toten zu der
ofrenda finden. Man glaubt, das Verstorbene die Farben orange und gelb am besten erkennen können und der Duft der Blumen soll sie zusätzlich sicher zum Altar führen. Oft brennt ausserdem noch eine Laterne vor dem Hoftor oder Hauseingang.
3. Der AltarTotenaltäre (ofrendas) sind tief im rituellen Leben der Mexikaner verwurzelt.
Man kann die Spuren der Ureinwohner Mexikos immer noch in der Anordnung und Symbolik der einzelnen Elemente der Altäre wahrnehmen, die die Denktradition der Indios wiederspiegeln, wo jeder Stein, jede Blume, jedes Bild seinen eigenen Platz in der universellen Ordnung hat und in vollkommener Wechselbeziehung zum Menschen steht. Das gilt z.B. für die Hundefiguren (die Nacht auf den ersten November wird „Nacht des Hundes“ genannt), den Gebrauch von Copal (Weihrauch) oder der Cempasúchitl, einer typisch aztekischen Blume.
Die Altäre werden stets im Wohnzimmer errichtet und sollen den am Día de los Muertos zu Besuch erwarteten Seelen der Verstorbenen als Ort der Ankunft und Stärkung in der Mitte der Lebenden dienen.
Über den Altar nehmen die Verwandten und Freunde den Kontakt zum Verstorbenen auf, für den sie den Altar errichtet haben.
Einige der symbolkräftigen und dekorativen Elemente der
ofrenda dürfen nicht fehlen, andere werden je nach Region oder individuellem Geschmack auf dem Altar aufgestellt.
3.1 Die wichtigsten Elemente und Symbole des TotenaltarsUnentbehrlich sind z.B. das Foto bzw. Fotos der Verstorbenen, welchen man den Altar widmet.
Ein Wasserbehälter oder Spiegel dienen als verbindendes Element zwischen dem irdischen Dasein und dem Jenseits.
Ein Krug, eine Schüssel, Handtuch und oft auch Seife stehen bereit, damit die Seele des Verstorbenen nach seiner langen Wanderung zurück in die Mitte der Lebenden sich säubern und erfrischen kann. Mit dem Wasser können die ankommenden Seelen auch ihren Durst stillen.
Ein anderes grundlegendes Element ist Salz, das die Verwesung verhindern soll.
Unentbehrlich für einen solchen Altar ist auch das „Gastmahl“ für die verstorbenen Seelen. Solch eine Opfergabe kann z.B. ein Gericht sein, welches der Verstorbene zu Lebzeiten besonders gern gegessen hat oder jegliche Art von Genussmitteln, wie z.B. Tequila und anderer Schnaps, Zigaretten, Likör oder Bier.
Weißen Blumen stehen für die angelitos, die Seelen der Kinder, für die man häufig auch Spielzeug bereit stellt.
Bunte Totenköpfe aus Zucker (calaveras), finden ebenfalls ihren Platz auf dem Altar. Sie erinnern an die Schädel, die von den Azteken für Rituale oft kunstvoll dekoriert wurden, und sind die Lieblingsnascherei der Kinder.
Sie sollen nicht unbedingt den Verstorbenen symbolisieren, sondern dienen dazu, dem Tod sein furchtbares Gesicht zu nehmen. Er wird als etwas betrachtet, vor dem man sich nicht zu fürchten braucht, etwas, dem man jederzeit mit Ironie begegnen kann.
Es ist vorallem im Zentrum Mexikos durchaus verbreitet, seinen Freunden einen solchen Zuckertotenschädel am Día de los Muertos zu schenken, manchmal sogar mit Namen versehen.
Die traditionellen Öllampen, die man auch häufig sieht, weisen den Toten den Weg und schaffen zudem eine festliche und mystische Atmosphäre.
Kerzen haben mehrere Bedeutungen. Zum einen symbolisieren sie das menschliche Leben, das sich mit dem Feuer der Zeit verzehrt. Ausserdem tragen sie, weil sie aus Bienenwachs hergestellt werden, den Duft von Tausenden von Blumen in sich, der als Gebet Gott dargebracht wird.
Die vier Altarkerzen wiederum stehen für die vier Naturelemente Wasser, Erde, Luft und Feuer.
Aufgestellt wird ausserdem ein Kreuz. Vorallem auf Altären in öffentlichen Gebäuden oder Restaurants, an Orten also, an denen man nicht der Verstorbenen aus engstem Familienkreis gedenkt, findet man in einigen Regionen auch Heiligenbilder.
Ein Zuckertotenköppi zum Basteln aus Papier! (klick mich!)
3.2 Variationen einzelner Elemente des TotenaltarsZur individuellen Gestaltung des Altars zählen Scherenschnitte und kleine Papierflaggen.
Wenn dieses zu traditionellen Mustern ausgestanzte Papier von einem Lufthauch bewegt wird, vernimmt man ein feines Geräusch, das die Seelen erreicht und es ihnen erleichtern soll den Weg zu finden.
Weihrauchpfannen gefüllt mit Copal, dessen Geruch Symbol ist für die Befreiung der Seele nach dem Tod, finden sich auch sehr häufig, ebenso wie Bögen. Für die Indios stellte der Bogen einen Kreis dar, dessen unterer Teil im Boden verborgen war. Dieser Kreis steht für Gott, da er „weder Anfang noch Ende“ hat.
Die Bögen sind mit grünen Palmen- und Zitronenpflanzen bedeckt, deren Farbe die Hoffnung symbolisiert, einst wieder mit den Verstorbenen zusammen zu sein.
Gedacht wird am Día de los Muertos besonders in einigen sehr traditionellen Gemeinden auch den Seelen derjenigen, die einsam gestorben sind. Für diese ánimas solas stellt man in diesen Gegenden einen separaten kleinen Altar auf, meist ausserhalb des Hauses oder auf öffentlichen Plätzen, der mit gespendeten Gaben von privaten Altären geschmückt ist. Neben dem Altar steht ein Glas Wasser bereit, welches den Durst nach der anstrengenden Reise löschen soll.
Der Altar bleibt höchstens eine Woche lang stehen. In dieser einen Woche denkt man noch stärker als sonst an die Menschen, die gestorben sind.
Der Altar dient der Familie in dieser Zeit als Ort der gemeinsamen Begegnung mit den Erinnerungen an die Verstorbenen. Dann wird er wieder abgebaut.
4. Der Abschluss des FestesDas Fest endet schließlich am Abend des 2. Novembers mit der Verabschiedung der Verstorbenen. Im Schein vieler Kerzen ziehen die Familien zu den Friedhöfen.
Dort beten sie an den mit Blumen und Kerzen geschmückten Gräbern.
Die Abschiedszeremonie stellt eine Art Wiederholung der Bestattung dar, aber ohne Trauer und Schmerz. Gitarrenlaute sind zu hören, zu denen die Menschen singen und lachen. Der Abschied soll ja nur für ein Jahr sein. Um Mitternacht ist das Ganze beendet.